Als ich neun Jahre alt wurde, erhob sich zum ersten Auftritt, nach mancher infernalischen Szene im Proszenium, der Vorhang für das schaurigste Drama unserer Tage: Deutschlands Einfall in Polen, der Ausbruch des zweiten Weltkrieges. 27 Jahre später ist es diese Galerie Warschaus, der Hauptstadt des über viele Zeiten gequälten tapferen polnischen Volkes – gequält nicht zuletzt von den Deutschen –, die mir, einem deutschen Künstler, die erste Ausstellung ermöglicht. In den knappen drei Jahrzehnten zwischen den genannten Ereignissen vollzog und vollzieht sich der Reifungsprozess eines Menschen, der sein Heimatland bitter hassen lernte, um es später doch wieder zu lieben, unlöslich mit ihm verkettet durch Sprache, Freundschaften und Schicksal
Die ersten Kriegstage fanden mich in der niederschlesischen Provinzstadt Oels an eine Straßensperrung gelehnt, den an- und abrollenden Kriegsmaschinen nachgaffend, mitvibrierend mit dem Gerassel und Gedröhn, ringsum nationale Größenwahnhysterie, eine Woche darauf erschienen die Spalten der Gefallenenanzeigen. Die nächsten Jahre verbrachte ich in einer Kleinstadt des besetzten Polens.
Roger Leowig: Bemerkungen zu meinem Leben – Lebenshintergrund meiner Bilder (1966)
Bild: Gesichter des Krieges (1962)